Im Internet kursieren zahlreiche Fake-Geschichten über Flüchtlinge. mokant.at hat nachrecherchiert
„Drei Flüchtlinge vergewaltigen brutal 48-jährige Frau“, „Sexueller Übergriff auf eine 25-Jährige durch eine Gruppe Flüchtlinge“ – Meldungen wie diese überschwemmen derzeit die sozialen Netzwerke. Quellenangaben und Belege sind rar, Pauschalverurteilungen umso häufiger. Und bei jeder einzelnen Geschichte fragt man sich: Stimmt das wirklich? Wie viel Wahrheitsgehalt steckt da drin?
Wir wollen an dieser Stelle klar festhalten: Weder möchten wir Übergriffe verharmlosen, noch Aussagen von Opfern anzweifeln, noch Verbrecher schützen. Derzeit kursieren im Internet jedoch zahlreiche Halbwahrheiten, Fotos, die im falschen Kontext verwendet werden, bis hin zu frei erfundenen Geschichten. Wir sind der Meinung, dass diese in keinster Weise zu einer Aufklärung beitragen und dass es unsere Aufgabe ist, diese aufzuzeigen. Wir sind übrigens für weitere Hinweise dankbar.
Kommentar von Sofia Palzer-Khomenko,
Recherche und Bericht von Sofia Palzer-Khomenko und David Steiner
(1) Schweden: Vergewaltigung einer 75-Jährigen?
Dieses Bild (von mokant.at verpixelt, Anm.d.Red.) zeigt eine ältere Dame. Ihre linke Gesichtshälfte ist stark geschwollen und weist mehrere Blutergüsse auf.
Hoax: Seit Mitte Jänner bebildert das Foto einen Beitrag von netzplanet.net, der von der Vergewaltigung einer 75-jährigen Schwedin durch „muslimische Flüchtlinge“ berichtet. Dieser wurde auf Facebook mehrmals geteilt. Das Foto kursiert aber schon länger im Internet.
Kontext: Über eine Google-Images-Suche gelangt man zu einem Artikel des südafrikanischen Onlinemediums Censorburgbear, wo auch eine weitere südafrikanische Quelle verlinkt ist. Diesen Medienberichten zufolge ist die Frau tatsächlich 75 Jahre alt. Ihre Verletzungen stammen jedoch nicht von einer Vergewaltigung. Sie soll in ihrem Haus, in einem Vorort von Bloemfontein, zum Opfer eines Raubüberfalls geworden sein.
netzplanet.net stellte zwar in einem Update richtig, dass die Meldung ein Fake ist und dass das Bild aus einem anderen Kontext stammt, online ist der Beitrag aber noch immer.
(2) Berlin: Eine erfundene Entführung und Vergewaltigung?
Auch dieses Bild (verpixelt v. mokant.at, Anm.d.Red.) kursiert seit Mitte Jänner auf Facebook. Es handelt sich dabei um ein Flugblatt, demnach ein 13-jähriges Mädchen vermisst sein soll.
Hoax: In der Facebook-Gruppe, in der das Bild auftauchte, ist von einer Entführung und Vergewaltigung durch „mind. 5 arabische Männer“ die Rede.
Kontext: Wie mimikama.at (ein Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch, Anm.d.Red.) berichtete, kam es laut Stellungnahme der Polizei weder zu einer Entführung noch zu einer Vergewaltigung.
(3) Südländer = Flüchtling?
Einige Facebookseiten posten in regelmäßigen Abständen Meldungen über (angebliche) sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge.
>>Sexuelle Übergriffe befürchtet: Rheinberg sagt Karnevalszug ab<<…
Posted by Anti EU on Saturday, January 16, 2016
Hoax: netzplanet.net, das hier als Quelle angegeben ist, schreibt nicht von Flüchtlingen, sondern beschreibt das Aussehen der Täter etwa als „südländisch“. Bei den beschriebenen Vorfällen ist auch nie von einer Verurteilung die Rede. Außerdem werden weder Polizei, noch Staatsanwaltschaft zitiert. Was also wirklich passiert ist und ob wirklich Flüchtlinge Täter waren, müsste erst genauer untersucht werden.
Doch der Trend, Halbwahrheiten oder Bilder im falschen Kontext zu verbreiten, ist nicht neu. Artikel weiterlesen…
Weitere Infos:
Titelbild: (c) David Steiner
sabine
22. Januar 2016 at 14:09
echt arg was da teilweise verbreitet wird! bei mir auf facebook tauche auch immer wieder so dubiose geschichten auf…
Pedda
26. Januar 2016 at 15:01
Wie wäre es mit vollständiger Berichterstattung ?
In Fall 2 der 13-jährigen könnte man so durchaus erwähnen, dass es zumindest einen sexuellen Kontakt der 13-jährigen mit mehreren Männern nun auch laut Massenmedien gegeben hat.
Da ist es schon grob fahrlässig, diese Tatsache hier nicht zu erwähnen, auch wenn das mittlerweile offensichtlich zur Political Correctness gehört Sachverhalte durch das Weglassen von Fakten zu schönigen.
Statt dessen war es offiziell tagelang „nur“ eine „frei erfundene von Rechtspopulisten für deren Zwecke missbrauchte Meldung“. Vollständig berichtet klingt es dann natürlich leider nicht mehr ganz so „political correct“.
David Steiner
26. Januar 2016 at 20:00
Hallo Pedda,
es besteht Verdacht, dass es zu „einvernehmlichen Sexualkontakten“ gekommen ist.
http://www.n-tv.de/politik/Lawrow-vermutet-Vertuschung-in-Berlin-article16857081.html
Sinngemäß steht das so u.a. auch in der Berliner Zeitung und im Spiegel Online.
Die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen und deswegen berichten viele Print- und Onlinezeitungen in solchen Fällen eher zurückhaltend und zitieren offizielle Sprecher. Es geht es nicht darum, etwas zu „schönigen“ oder um Political Correctness, sondern um die Tatsache, dass über die Schuldfrage bei Strafdelikten Gerichte und nicht Medien entscheiden.
Näheres dazu hier im Unterpunkt „Typ 5“:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/fluechtlinge-geruechte-desinformation-und-propaganda-a-1062045.html
Dass wir (also mokant) nicht näher auf den Fall eingegangen sind, liegt daran, dass die Informationslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unseres Artikels weniger dicht war. Letzte Woche dementierte die Polizei Berlin die Vorwürfe der Entführung und Vergewaltigung und äußerte sich nicht näher zu dem Vorfall.
Quelle: http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.434674.php
Unserer Recherche nach gab es von offizieller Seite bis 21.01.2016 keine (gesicherten) näheren Informationen. Wenn wir etwas übersehen haben, bitten wir um Quelle+Link. In erster Linie ging es uns um das Aufzeigen der Falschmeldung. Wir werden besprechen, ob wir in einem Update mehr auf den Hintergrund eingehen.
Grüße, DS
tschortsch
15. März 2016 at 21:23
Genauso häufig kommt es vor, dass über Angriffe auf Flüchtlingsheime berichtet wird ( Dann stellt sich heraus, der Bewohner hat sein Zimmer angezündet )
Hans Kolpak
1. April 2016 at 19:09
Link zum Archiv von Netzplanet.net auf archive.org unter http://www.Netzplanet.info