Wie viele Menschen bestimmen den politischen Diskurs auf Facebook? Zeigen die Kommentare der Facebook-User, was die Mehrheit in einem Land denkt? mokant.at sammelte Millionen von Daten zum österreichischen Wahlkampf 2017 – und fand eine mächtige Minderheit
Filterblasen, Fake News, Social Bots – im Jahr 2017 ist in Österreich und Deutschland viel über den Einfluss von Sozialen Medien auf die Meinungsbildung diskutiert worden, vor allem im Wahlkampf. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Das auf Facebook vorherrschende Meinungsklima beeinflusst die Meinung der User, auch wenn es nicht dem tatsächlichen Meinungsklima in der Bevölkerung entspricht.
Wer aber ist für das Meinungsklima auf Facebook verantwortlich? 3,7 Millionen Österreicher nutzen das Netzwerk. Wie viele davon bestimmen den politischen Diskurs? Zeigen die Kommentare der Facebook-User, was die Mehrheit in Österreich denkt?
Um diesen Fragen nachzugehen hat mokant.at Millionen von Daten zum österreichischen Wahlkampf 2017 gesammelt und analysiert. Das Team hat alle Kommentare von Facebook-Usern auf rund 40 Facebook-Seiten von August bis Oktober 2017 erfasst. Ausgewählt wurden Facebook-Seiten, die für die Meinungsbildung im Wahlkampf von Bedeutung waren: Seiten von Politikern und von Medien.
Kleine Minderheit beherrschte Wahlkampf-Diskurs
Die Analyse zeigt: Es ist eine kleine mächtige Minderheit, die die politische Diskussion rund um den Wahlkampf beherrscht hat. Der überwiegende Teil der Kommentare stammt von einem Bruchteil der Facebook-Nutzer.
Insgesamt wurden 2,9 Millionen Kommentare gepostet. Diese stammen von etwa 400.000 Personen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde eine Vielzahl an Menschen an politischen Diskussionen auf Facebook teilnehmen. Doch das Bild täuscht: die meisten User posteten während der ganzen drei Monate nur einige wenige Kommentare, ein großer Teil nur einen einzigen.
1,4 Millionen Kommentare stammen von 8900 Usern
Die Hälfte der Kommentare stammt von etwa 8900 Personen. In Prozent: von allen, die kommentiert haben, sind 2 Prozent der User für 49 Prozent der Kommentare verantwortlich. Bei den zwei Prozent handelt es sich um User, die 50 oder mehr Kommentare auf den untersuchten Facebook-Seiten gepostet haben.
38 Prozent der Kommentare – über eine Million – stammen von etwa 4100 Usern (1 Prozent aller User die kommentiert haben). Diese User haben jeweils 100 oder mehr Kommentare verfasst.
Sieht man sich jene User an, die mindestens 500 Kommentare gepostet haben, bleiben 400 Personen, von denen rund 360.000 der Kommentare stammen. Es sind gerade einmal 0,1 Prozent der User, die für 12,6 Prozent der Kommentare verantwortlich sind.
Einige wenige User haben über tausend Kommentare verfasst. Darunter sind User, die Werbung für Parteien machen und Trolle, die andere User beschimpfen, wenn sie Kritik an einer Partei äußern. Wer tatsächlich hinter diesen Accounts steckt, ist oft unklar, da sie meistens kaum Informationen über sich preisgeben.
Mehrheit diskutiert nicht mit
Dass die überwiegende Mehrheit der User nicht an Diskussionen teilnimmt, sieht man besonders gut an den Zahlen zu Facebook-Seiten von Medien mit vielen Fans. Die Kronen Zeitung hat rund 291 000 Fans (Stand 1.1.2018). Ein Drittel der rund 426.000 Kommentare auf der Facebook-Seite stammt von ca. 1250 Usern. Auch oe24.at hat eine Facebook-Seite mit sehr vielen Fans: rund 224.000 waren es am 1. Jänner 2018. 30 Prozent der rund 373.000 Kommentare stammen von rund 1020 Usern. Ähnliche Zahlen finden sich auch bei der Tageszeitung diePresse.com: Die Facebook-Seite hat rund 183. 000 Fans. Die politischen Diskussionen werden auch hier nur von wenigen bestimmt. Von den 215 000 verfassten Kommentaren vor der Wahl stammen 30 Prozent von etwa 650 Personen.
Unsere interaktive Grafik zeigt alle Zahlen zu den einzelnen Facebook-Seiten. Einfach durchklicken! Für ein Vollbild der Grafik bitte bis zum unteren rechten Eck scrollen und auf den kleinen „Bildschirm“ klicken.
Artikel von Sofia Palzer-Khomenko, Dave Tichy, Barbara Bürscher und Markus Palzer-Khomenko
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Datenjournalismus-Projekts „Fake-News: Hintermänner und Hintergründe“. Die Recherche wurde gefördert und unterstützt von netzwerk recherche.
Titelbild: (c) Lukas Unger
Weiterführende Links:
Studie zur Meinungsbildung auf Facebook
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